AllgemeinAnalysen

Ausblick: Das Powerplay der Eisbären Berlin

Das Powerplay der Eisbären Berlin zählte im vergangenem Jahr zu einen der wenigen Stärken des Teams. Verantwortlich dafür war unter anderem Video- und Powerplaycoach Tom Kanzock. In den Jahren zuvor zählte das Powerplay eher zu den Schwächen. Teilweise erklang aus Teilen der Hartmut-Nickel-Kurve der Spruch „Überzahl scheiß egal“. Im letzten Jahr war das – wie schon erwähnt – anders. 

Der Hauptgrund hierfür war die erste Überzahl-Reihe, bestehend aus Marco Nowak, Marcel Noebels, Zach Boychuk, Leo Pföderl und Kevin Clark. Marcel Noebels sammelte 24 Punkte in Überzahl, Zach Boychuk 17 und Kevin Clark 13. Nowak und Pföderl sammelten „nur“ 8 bzw. 7 Punkte im Powerplay. Bei Nowak muss man aber festhalten, dass dieser anfangs gar nicht in Überzahl spielen durfte. In der Anfangszeit war das noch der Job von Frank Hördler, der in dieser Rolle 4 Scorer sammeln konnte. 

Foto: City-Press GmbH

Der Aufbau der ersten Powerplay-Reihe erfolgte in einem 2-3 System, in welchem Noebels und Boychuk die so genannte zweite Welle spielten. Nowak trieb den Punk ins Mitteldrittel und spielte den Puck situativ zurück auf Noebels oder Boychuk, die den Puck mit Schwung ins Angriffsdrittel brachten. Clark und Pföderl warteten an den Banden, um einem tiefgehenden Puck nachzusetzen.

Im Drittel angekommen, formierte man sich in einem 1-3-1 System mit Nowak an der blauen Linie, Noebels und Boychuk in den Halbräumen links und rechts, Pföderl im Slot und Clark situativ vor/neben oder hinter dem Tor. Noebels war der Taktgeber. Nowak war für die Zuordnung und Verteilung an der blauen Linie und Clark für sogenannte „tip in´s“ zuständig. 

Pföderl wurde sehr oft im Slot für einen Direktschuss gesucht. Boychuk hat sich gerne auf der linken Seite der blauen Linie platziert, um dann mit Geschwindigkeit auf das Tor zufahren zu können und entweder den Schuss zu nehmen oder den Querpass auf Noebels zu spielen. Noebels und Boychuk suchten sich sehr gerne gegenseitig per Querpass. Oft funktionierte dies auch. 

Im kommenden Jahr stelle ich mir das folgendermaßen vor: Ben Finkelstein übernimmt den Nowak-Part an der blauen Linie. Er kann der Reihe noch mehr Dynamik verschaffen, die dieser Reihe tendenziell noch fehlte. Die Halbräume sollten weiter von Noebels und Boychuk besetzt werden. In Überzahl verstehen die beiden sich blind. 

Für den Slot ist Leo Pföderl wie gemacht. Seinen Part sollte er behalten. Den Job von Kevin Clark sollte offensichtlicherweise Blaine Byron übernehmen. Für den Job um das Tor herum muss man sehr agil und wendig sein. Das bringt Byron mit. Hinzu kommt das blinde Verständnis mit seinen Kumpanen Noebels und Pföderl. Ich sehe keinen Grund, weshalb diese Reihe nicht funktionieren sollte.

Die zweite Powerplay-Reihe war geprägt von den beiden inzwischen Ex-Eisbären Matt White und Giovanni Fiore. Zusammen sammelten sie 24 Punkte in Überzahl, so viel, wie Noebels alleine sammelte. Dieser Fakt allein zeigt, wie dominant die erste Reihe war. White und Fiore wurden über das Jahr hinweg von vielen verschiedenen Spielern bespielt. 

Lange Zeit besetzte Yannick Veilleux den Raum vor dem Torwart. In dieser Rolle spielte er sehr stark. Seine Hauptaufgabe war es nicht, Punkte zu sammeln, sondern wenn möglich dem Torhüter die Sicht zu nehmen und gleichzeitig einen gegnerischen Verteidiger zu binden und ihn aus dem Spiel zu nehmen. Für 2 Tore und 2 Vorlagen konnte er trotzdem sorgen. Zum Ende hin komplettierten Jonas Müller und Morgan Ellis oder Alex Grenier diese Reihe. Müller sammelte in dieser Zeit 4 Punkte und Ellis und Grenier jeweils 5. Anfangs spielte Peter Regin anstatt von Veilleux in der Formation. 

Dieser sammelte einen mageren Punkt. Julian Melchiori, Marcel Barinka, Lewis Zerter-Gossage, Brendan Guhle und Frank Mauer durften zeitweise auch mal ran. Nur Julian Melchiori sammelte Punkte (3). 

Über weite Strecken der Saison spielte die Reihe im 2-2-1 System. War der Puck auf der rechten Seite der Drittels, spielte Ellis an der rechten Bande auf Höhe der blauen Linie und Müller mittig an der blauen Linie. War der Puck auf der linken Seite des Drittels, spielte Müller den Part an der Bande und Ellis rückte ein. 

Die verschiedenen Systeme im Powerplay hatten den Sinn, den Gegner zu verwirren. Die erste Reihe zog das Spiel sehr weit auseinander und die zweite machte es eng. Dadurch konnten die Stärken von White und Fiore sehr gut zur Geltung kommen. Einer der beiden war meistens der puckführende Spieler im äußeren Bereich des Drittels, der andere hielt sich im Slot (auf Höhe des zentralen Spielers an der blauen Linie) auf. 

Oft brachen sie aus der engen Formation aus und kreierten 1 gegen 1 Situationen gegen (im Idealfall stämmige und dadurch unbeweglichere) Verteidiger. Oft bediente White Fiore. White sammelte 12 Assists, während Fiore 7 Tore erzielte. Den Job von Veilleux habe ich im vorherigen Absatz schon erklärt. Im Gegensatz zu Clark muss er nicht viel ums Tor herum arbeiten, sondern einzig und allein vor dem Tor. 

Wie die zweite Powerplay-Reihe im kommenden Jahr aussehen wird, kann man jetzt noch nicht erahnen. Es gibt sehr viele Varianten neben den genannten 1-3-1 und 2-2-1 Systemen. Eine sehr interessante Variante ist die 1-1-3 Formation. In dieser spielt ein Spieler als Spielmacher zentral an der blauen Linie. Ein Spieler spielt im linken Halbraum, einer im Slot und einer im Bereich zwischen dem rechten Halbraum und dem Tor. 

Ein Spieler spielt als Freigeist und bekommt alle Freiheiten vom Coach. Dieser Spieler sollte ein absoluter Unterschiedsspieler sein. In der NHL wurde das System von den Edmonton Oilers geprägt. Connor McDavid (einer der beiden besten Spieler der Welt – der andere ist Leon Draisaitl) spielt in dem Fall als Freigeist. 

Bei den Eisbären kann ich mir am ehesten vorstellen, dass die zweite Powerplay-Reihe eine Mischung aus dem letztjährigem 1-3-1 und 2-2-1 wird. An der blauen Linie sollte Kai Wissmann gesetzt sein. Er kann das Spiel super lenken. Dies hat er bei der WM 2023 mal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Vor dem Tor sollte Patrice Cormier den Part von Veilleux 1 zu 1 übernehmen können. 

Er ist wie gemacht für die Position, da er sich situativ gut in den Slot fallen lassen kann. Aus dem Slot konnte er in seiner Karriere viele Tore erzielen. Freddie Tiffels sollte eine freie Rolle übernehmen. Mit seiner sehr starken Technik und seiner Schnelligkeit kann er immer und überall anspielbereit sein. 

Besonders wichtig ist in dem Fall der Raum um das Tor, da dieser von Cormier nicht bespielt wird. Wer zu ihm und den anderen Stürmern mehr erfahren möchte, sollte unsere Analyse zu den Stürmern abchecken. Ty Ronning und Lean Bergmann ergänzen diese Powerplay-Reihe. Ronning wird am linken Bully-Kreis und Bergmann am rechten auflaufen. Das Ziel sollte es sein, die 2 immer und immer wieder für mögliche Direktschüsse freizuspielen. 

Ob der Direktschuss dann immer die beste Variante ist, möchte ich damit nicht sagen. Aber allein durch die möglichen Situationen bringt man eine Verteidigung außer Konzept. In solchen Situationen ist dann besonders Freddie Tiffels gefragt, bei dem dann besonders seine Kreativität gefragt ist. Das Grundsystem dieser Reihe wäre das 1 (Wissmann) — 2 (Ronning-Bergmann) – 2 (Tiffels-Cormier).

Tobi Eder sollte jederzeit bereitstehen, um einen dieser 8 Stürmer (Verteilt auf beide Powerplay-Reihen) bei Verletzung oder nicht erbrachten Leistungen zu ersetzen. Mit seinen All-Round-Fähigkeiten kann er so gut wie jeden Part übernehmen. 

Der Backup für Wissmann und Finkelstein müsste erwartungsgemäß Marco Nowak sein, der im letzten Jahr schon bewiesen hat, dass er diese Rolle solide bis gut ausfüllen kann. Wenn ihr mehr über diese 3 erfahren wollt, solltet ihr unsere Analyse zu den Verteidigern abchecken. 

Aus meiner Sicht kann man mit diesen Überzahl-Reihen – ähnlich wie im letzten Jahr – eine der besten Powerplay-Units vorbringen. Das Überzahlspiel wird ein entscheidender Faktor des Eisbären-Spiels sein. Was man im nächsten Jahr von den Eisbären erwarten kann, erfahrt in unserem Saisonausblick.

Ich wünsch euch was!

Autor: Holzi

Fotos: City-Press GmbH

Ein Gedanke zu „Ausblick: Das Powerplay der Eisbären Berlin

  • Angelika Füllert

    Ein sehr guter Bericht und auch die Analysen der einzelnen Spieler. Ich hoffe, die Reihen finden sich gut zusammen. Obwohl ich schon viele Jahre zum Eishockey gehe, kann ich viele Situationen auf dem Eis besser verstehen. Auch im Alter lernt man noch dazu.

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