Regelrick klärt auf – Penaltyschuss durch Verschieben des Tores?
Das Regelwerk im Eishockey liefert immer wieder neue Facetten und Details, die vielen Fans dieses schönen Sports gar nicht bekannt sind. Solche regeltechnischen Besonderheiten sollen in diesem Rahmen an stattgefundenen Beispielen dargelegt und erklärt werden.
Heute befasse ich mich mit einer Szene aus den Playoffs der DEL2. In Spiel 2 der Halbfinalserie zwischen den Dresdner Eislöwen und der Kassel Huskies kam es am vergangenen Sonntag zu einer spannenden und viel diskutierten Szene.
Es läuft beim Spielstand von 2:3 die letzte Spielminute, als sich Dresden mit zusätzlichem Feldspieler im Kasseler Drittel befindet, um den Ausgleich zu erzwingen. Johan Porsberger befindet sich in guter Schussposition im Slot vor dem Kasseler Torhüter Philipp Maurer. 18 Sekunden vor der Schlusssirene wird das Tor der Huskies verschoben. (https://www.magentasport.de/event/dresdner-eisloewen-ec-kassel-huskies/9968269 ab etwa 5:00 im Video)
Die beiden Hauptschiedsrichter Christopher Schadewaldt und Seedo Janssen, die auch aus der DEL bekannt sind, zeigen sofort an, dass gegen Maurer eine Strafe ausgesprochen wird.
Da ich live in der Eishalle war, kann ich kurz schildern, was im Video nicht mehr zu sehen ist. Die Unparteiischen kommen in der Folge zusammen und beraten sich kurz. Ergebnis dieser Beratung war die Entscheidung für einen Penaltyschuss zugunsten der Eislöwen, der durch Andrew Yogan zum vielumjubelten Ausgleich verwandelt wurde.
Kassel gewann das Spiel schließlich mit 3:4 nach 1. Verlängerung.
Betrachten wir nun die Szene aus regeltechnischer Sicht:
„Ein Spieler, der das Torgehäuse absichtlich aus seiner regulären Position verschiebt, erhält eine Kleine Strafe.“ (Regel 130 I.)
Wie bereits in vielen vorangegangenen Regelszenen birgt diese Formulierung einen gewissen Interpretationsspielraum. Wann kann einem Spieler Absicht unterstellt werden? Maurer macht die für einen Torhüter übliche Bewegung mit dem Körper Richtung Pfosten, um die kurze Ecke für den Schützen zuzumachen. Dabei wird das Tor aus der Verankerung gehoben.
Zur Wahrheit gehört auch dazu, dass sich exakt dieser Vorgang bereits wenige Minuten zuvor im 3. Drittel genauso ereignete, jedoch ohne Strafe gegen den Goalie. Jedoch verschob auch Danny aus den Birken, der für die Dresdner im Tor stand, das gleiche Tor im Drittel zuvor.
Eine Kleine Strafe wäre aus Sicht der Huskies 18 Sekunden vor der Schlusssirene sicherlich verkraftbar gewesen. Schauen wir uns nun an, warum es einen Penaltyschuss gab!
Regel 130 II. „Verschiebt ein Spieler während der letzten zwei Minuten der regulären Spielzeit oder zu irgendeinem Zeitpunkt in der Verlängerung sein eigenes Torgehäuse aus seiner regulären Position, wird dem gegnerischem Team ein Penaltyschuss zugesprochen.“
Da sich die besagte Szene 18 Sekunden vor Schluss ereignete, blieb den Hauptschiedsrichtern laut Regelwerk schlichtweg keine andere Wahl als den Penalty auszusprechen.
Dieser viel diskutierte Pfiff ist aus meiner Sicht eine korrekte Entscheidung. Jedoch kann man sicherlich darüber streiten, ob die Bewegung von Maurer als Absicht interpretiert werden kann. Die Hauptschiedsrichter haben sich für eine Strafe entschieden. In der Folge ist regeltechnisch alles korrekt abgelaufen. Eine Kleine Strafe wäre eine Fehlentscheidung gewesen, der Penaltyschuss der korrekte Pfiff.
Ich bin mir aber relativ sicher, dass es den Penalty nicht gegeben hätte, wenn Maurer das Tor in besagter Szene das erste Mal im Spiel verschoben hätte.
Die Schiedsrichter haben mit ihrem Pfiff kurz vor der Schlusssirene viel Mut bewiesen. Das sollte ebenfalls hervorgehoben werden.
Als Lob und auch als Anerkennung durfte das gleiche Gespann auch das gestrige Spiel 3 der Serie in Kassel leiten.
Titelbild: City-press GmbH