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Kaderanalyse – Teil 2: Die Verteidigung

Die Eisbären stellten im abgelaufenen Jahr eine gute, aber keine sehr gute Defensive. Viel wurde vor dem letzten Jahr diskutiert, ob uns die Kombination aus Defensive und Torhüter zum zehnten (10) Meistertitel verhilft. Am Ende der Saison konnte man diese Frage mit JA! beantworten, auch wenn die Verteidigung über weite Strecken der Saison längst nicht perfekt war. 

Wenn man der „expected goals against“-Statistik (erwartete Gegentore-Statistik) Glauben schenken mag, stellten die Eisbären in der abgelaufenen Saison die fünftbeste Defensive. Diese Statistik ist aus meiner Sicht eindeutig ausbaufähig. Am Ende standen gerundet 145 „expected goals against“ zu Buche. Insgesamt kassierten die Eisbären in der Hauptrunde 131 Gegentore, was extrem für Hildebrand und Stettmer spricht. Die 131 Gegentore waren die viertwenigsten in der abgelaufenen Saison. 

Zu den Playoffs hat die Verteidigung nochmal einen sehr großen Schritt gemacht, welcher den Eisbären am Ende zum Titelgewinn verholfen hat. Trotz des 1:7 im ersten Playoff-Spiel gegen Mannheim stellten die Eisbären zum Ende der Playoffs mit 2.27 Gegentoren im Schnitt pro Spiel den besten Wert. Dies war essentiell für das Eisbären-Spiel in den Playoffs, da es oft nicht wirklich dominant war, sondern sehr effizient. Darum soll es hier aber nicht gehen.

Der Kern der Verteidigung ist zum größten Teil zusammengeblieben. Zum erwähnten Kern gehörten im letzten Jahr Jonas Müller, Kai Wissmann und Morgan Ellis. Letzterer hat die Eisbären nach drei Jahren, 191 Spielen und 57 Scorerpunkten zurück in seine alte Heimat – in Richtung Ingolstadt – verlassen.

Seine Rolle kann von Marco Nowak eingenommen werden, welcher im letzten Jahr mehr als Reservist fungiert hat. Nowi bringt Erfahrungswerte mit, die einem Ellis ähneln und spielt auch ein relativ ähnliches Spiel wie der letztgenannte. Beide haben einen soliden Aufbaupass, können die Scheibe im Powerplay von der blauen Linie verteilen und verstehen es, ihren Körper gut einzusetzen. Die Nummer 8 hatte in Berlin eine denkbar undankbare erste Saison, welche ihn aus der Nationalmannschaft und auch aus dem Stammaufgebot der Eisbären katapultierte. Umso besser war dafür seine zweite Saison im Eisbären-Dress, wenn er mal gespielt hat. Mit ihm auf dem Eis fiel gerade mal alle 47 Minuten ein Gegentor. Topwert im Eisbären Team! Das befördert ihn aus meiner Sicht zurück ins dauerhafte Aufgebot. Außerdem hat man das Gefühl, dass er sich in Berlin sehr wohlfühlt. Ich gehe aktuell davon aus, dass Nowak die etwas offensivere Rolle im dritten Verteidigerpärchen einnehmen wird. 

Das bedeutet auch, dass er einen Spieler neben sich braucht, der viel Sicherheit ausstrahlt. Dafür wäre ein Defensivverteidiger ideal. Mit Korbinian Geibel und Oliver Galipeau haben die Eisbären zwei klassische Defensivverteidiger im Kader. 

Oliver Galipeau ist neu in Berlin und auch neu in der Penny-DEL. In der Saison 2023/24 lief er in der AHL für Laval Rocket (Farm Team der Montreal Canadiens) 57-mal auf und verbuchte drei Tore und 15 Assists. Er ist 183 cm groß und wiegt 92 kg. Beim 27jährigen linken Verteidiger kann man sich daher gut erschließen, dass er ein Defensivverteidiger ist, welcher hier und da aber auch mal einen Scorerpunkt beitragen kann. 

Die Eisbären haben sich mit ihm ein Zweikampfmonster ins Team geholt. Für das Penalty-Killing der Eisbären ist er eine ideale Ergänzung. Er nimmt den Kaderplatz von Julian Melchiori ein, welcher auch als sehr zweikampfstark gilt. Wer mehr zu unserer neuen Nummer 44 wissen möchte, kann sich den Artikel bei den geschätzten Kollegen von eisbaerlin.de durchlesen (link). 

Nun kommen wir zu einem Eigengewächs, welcher im vergangenen Jahr viel auf sich aufmerksam gemacht hat und mit einem 3-Jahres-Vertrag belohnt wurde.  

Korbinian Geibel fiel im letzten Jahr nicht allzu sehr auf. Er spielte defensiv einen sehr soliden Part und konnte viel von Morgan Ellis lernen. Er hat ein gutes Stellungsspiel im Defensivdrittel, ein gutes Gefühl dafür, Breakaways (Konter) zu covern und ist dadurch eine sehr gute Wahl neben einem Spieler, welcher sich offensiv viel einschaltet.

Geibel selbst ist offensiv noch gar nicht zur Geltung gekommen. Es reichte zu keinem Tor, dafür konnte er aber sieben Assists sammeln. An seinem Offensivspiel kann er daher auf alle Fälle noch sehr viel arbeiten. Außerdem fehlt es bei Geibel noch an Konstanz in seinem Spiel. Besonders in den Playoffs schlichen sich viele kleine Fehler in sein Spiel ein, weswegen er auch nicht mehr so viel Eiszeit wie in der Hauptrunde erhielt. Im Prozess eines jungen Spielers ist dies aber völlig normal. Nachdem er im Jahr 2022/23 eine lange Saisonphase durch eine Verletzung verpasste, konnte er im letzten Jahr jedes einzelne Pflichtspiel bestreiten. Am Ende wurde er mit zwei Einsätzen für die deutsche Nationalmannschaft belohnt. Ich hoffe, er bekommt nächstes Jahr eine größere Rolle und dadurch noch mehr Vertrauen zugeteilt. Mit ihm haben wir einen zukünftigen Nationalspieler im Team, welcher noch sehr viel Potential mit sich bringt.

Jetzt kommen wir zum aktuellen Kapitän der Eisbären. Kai Wissmann ist eine Identifikationsfigur für viele Eisbären-Fans und ein Vorbild für Mitspieler. Er ist ein absoluter Führungsspieler, von ihm hängt der Erfolg mehr ab, als von jedem anderen Spieler (Goalies ausgenommen). In der internen Scorerliste landete er auf dem fünften (!!) Platz. Und das als Verteidiger. 

Auch defensiv ist er ein sehr starker Spieler. Ab und zu schleicht sich mal ein kleiner Fehler ein, insgesamt spielt er aber auf einem konstant hohen Niveau. Mit ihm auf dem Eis fällt alle 37 Minuten ein Gegentor. Nur Nowak und Schemitsch schneiden hier besser ab, welche auf die komplette Saison gesehen aber auch sehr viel weniger gespielt haben. Er ist in beide Richtungen des Eises ein absoluter Top–Spieler, insgesamt sehe ich ihn als den besten Verteidiger der Liga. Er wird mit ziemlicher Sicherheit wieder die Verteiler-Rolle im ersten Powerplay einnehmen, welche er, umso länger das Jahr ging, immer besser gespielt hat. 

Die Verteiler-Rolle im zweiten Powerplay geht dann vermutlich an einen Spieler, welcher ein wenig dynamischer als Wissmann ist. Mitch Reinke ist 28 Jahre jung und wurde von den Coachella Valley Firebirds aus der AHL verpflichtet. Er ist ein klassischer 2-Way Verteidiger, der in Berlin eine offensivere Rolle einnehmen könnte, als in vergangenen AHL Tagen. In den vergangenen zwei Jahren reichte es jeweils nur für ein (1) Tor. 

Dafür konnte er in der Saison 22/23 in 52 Spielen 26 Assists sammeln. Das erwarte ich von ihm auch in Berlin. Er wird die Kaderposition von Thomas Schemitsch einnehmen, welcher die Eisbären nach 20 Spielen wieder verlassen musste. Idealerweise bekommt er einen der beiden Defensivverteidiger an die Seite gestellt, damit er offensiv viele Freiheiten haben kann. 

Kommen wir nun zu einem Spieler, welcher in der Fanszene viel zu wenig Anerkennung erhält. Eric Mik ist der Joker des Eisbären-Teams. Er kann als linker, als rechter Verteidiger, sowie als Flügelstürmer eingesetzt werden (Serge, wann kommt der Moment, in welchem du Mik als Center einsetzt?!?). Aufgrund seiner Vielseitigkeit ist er enorm wichtig für die Mannschaft. Er ist sich nicht zu schade, als eigentlicher Verteidiger in Reihe 4 Drecksarbeit für das Team zu leisten. Gleichzeitig kann er auch mal für ein Tor gut sein. 

Spielt er als Verteidiger, spielt er einen sehr soliden Part. Fehler passieren ihm sehr selten, gleichzeitig braucht man von ihm aber auch keine Hexenwerke erwarten. Wegen seiner Schnelligkeit passt er sehr gut ins Aubinsche System. Außerdem ist er ein absoluter Teamplayer, auch wenn er mal überzählig ist. Er ist der ideale 7. Verteidiger in einem LineUp. 

Aufgrund der U-23 Regel wird dieser Spot aber hauptsächlich an den 17jährigen – 2 Meter großen – Rio Kaiser gehen. Dieser wird als „kleiner“ Rohdiamant gesehen. Seine große Stärke sind die physischen Komponenten. Zu seinem großen Körper kommt eine sehr starke Beweglichkeit auf dem Eis. Aber er ist nicht nur beweglich, sondern auch – für seine Größe – sehr schnell. Technisch muss er noch ein paar Schippen drauflegen, um dauerhaft in der DEL bestehen zu können. Daran kann man aber arbeiten. Spielzeit in Berlin wird er garantiert erhalten. Seine Entwicklung wird interessant zu beobachten sein. 

Anstelle der Eisbären würde ich noch einen U-23 Verteidiger verpflichten oder hochziehen (z. B. Kretzschmar/Liberman von den Juniors), falls das „Projekt Kaiser“ scheitern sollte. In der Saisonvorbereitung hätte man dann neun Verteidiger im Kader. Damit kann man vier Pärchen bilden und Eric Mik als Joker rumschieben, egal ob in der Offensive oder Defensive. Diesen Weg würde ich sehr begrüßen. 

Zu guter Letzt gibt es da noch Jonas Müller. Eine weitere Identifikationsfigur im Kader der Eisbären. Er ist der Spieler in dieser Liga, welcher die meiste Eiszeit nehmen kann, ohne dass ein Leistungsabfall zu erwarten ist. Solch einen Spieler im Kader zu haben, ist von enormer Bedeutung. In Penaltykilling nimmt er eine entscheidende Rolle ein. Stellt man im Powerplay auf zwei Verteidiger um, ist er immer der zweite.

Bei 5vs5/4vs4 gehört er seit Jahren zum Top-Duo, also das, welches in Reihe 1 hauptsächlich mit und gegen die Topstürmer agiert. Defensiv wie offensiv ist er gut. Bei ihm redet man von einem klaren 2-Way-Verteidiger. Er ist extrem stark darin, den Puck mit seiner Wucht aus der Defensivzone in die Offensivzone zu tragen. Viele Schwächen hat er inzwischen nicht mehr. Auch unnötige Strafen hat er sich abgewöhnen können, was bei ihm von entscheidender Bedeutung war. 

Folgendermaßen würde ich aufstellen:

Quellen: City-Press, freepik

Das erste Duo erklärt sich von selbst. Die beiden haben im vergangenen Jahr die Liga dominiert. Dabei würde ich (erstmal) bleiben. Warum erstmal? Bröckelt es in der Defensive der Eisbären, kann man die beiden voneinander trennen, um anderen Spielern mehr Stabilität zu verleihen. 

Defensiv ist Wissmann für die Arbeit vor und um das Tor herum zuständig und Jonas Müller für Bandenarbeit und das generelle Rausrücken aus dem Torraum. Im Aufbauspiel sollte Kai Wissmann hauptsächlich den ersten Pass spielen und Müller den Puck mit seiner Wucht raustragen. Gleiches gilt für das Offensivdrittel. Wissmann spielt als Verteiler und Müller als „Puck carrier“ (Träger). Defensiv wie offensiv ergänzen sich die beiden perfekt.

Im zweiten Duo sollte Geibel die Arbeit im und um den Torraum erledigen, während Reinke den etwas aktiveren Part ausfüllen würde. Alles, was mit dem Offensivspiel zu tun hat, sollte Reinke übernehmen. Geibel kann Reinke durch sein gutes Stellungsspiel absichern.

Im dritten Verteidigerpaar wäre Nowak in der Defensivzone sowie im Angriffsdrittel für den etwas offensiveren Part zuständig, während Galipeau der klare Arbeiter ist und ihn vorne absichert. 

Rio Kaiser ist aufgrund der U-23-Regel der 7. Verteidiger im Aufgebot. Seine Eiszeit sollte über das Jahr hinweg stetig gesteigert werden. Eric Mik fällt in diesem LineUp erstmal raus. Sehr viele Spiele wird er aber nicht auf der Tribüne verbringen, da die Eisbären auch dieses Jahr mit Verletzungen rechnen müssen. Mik wird im Defensivverbund, sowie in den Stürmerreihen sehr viele Spiele bestreiten.

Es existieren aktuell noch Gerüchte, dass die Eisbären noch einen Import-Verteidiger suchen. Den Bedarf sehe ich nicht, da man dann schon von Beginn des Jahres an das Problem mit zehn Import-Stellen (gleichzeitig dürfen maximal neun im Spieltagskader stehen) im Kader hätte. Außerdem hätte sich Marco Nowak die Möglichkeit für mehr Spielzeit auf alle Fälle verdient. Außerdem bleibt die Frage, ob der Markt überhaupt noch eine Option hergibt, welche das Profil ausfüllt, das die Eisbären suchen. 

Fazit: 

Insgesamt würde ich sagen, dass sich die Eisbären in der Defensive zum letzten Jahr leicht verschlechtert haben. Das liegt sicherlich auch an den fehlenden Optionen, die der Markt in diesem Sommer hergegeben hat. Trotzdem denke ich, dass die Verteidigung statistisch wieder die Top 6 erreichen sollte. Mit dem hervorragenden Torhüter-Duo, das die Eisbären haben, reicht solch eine Verteidigung – wie auch schon im letzten Jahr – vielleicht auch einfach aus.

– Holzi

Titelbild: City-Press GmbH

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