RegelRick

Regelrick klärt auf – nicht gegebenes Tor Stachowiak

Das Regelwerk im Eishockey liefert immer wieder neue Facetten und Details, die vielen Fans dieses schönen Sports gar nicht bekannt sind. Solche regeltechnischen Besonderheiten sollen in diesem Rahmen an stattgefundenen Beispielen dargelegt und erklärt werden.

Nach langer Zeit ohne größere Aufreger, gab es beim Spiel des 27. Spieltags zwischen Ingolstadt und München, am Donnerstag, eine strittige Szene, die vor allem in den sozialen Netzwerken stark diskutiert wurde.

Es lief die 56. Spielminute, als sich München im Spielaufbau befindet. Nach einem ungenauen Pass von Konrad Abeltshauser verliert Nicolas Krämmer in der neutralen Zone die Scheibe an Ingolstadts Wojciech Stachowiak. Dieser läuft in der Folge allein auf das Tor von Mathias Niederberger zu. Sein erster Abschluss landet noch am Pfosten, jedoch findet der Puck im anschließenden Gestocher den Weg ins Tor. Dies ist auf den Bildern zweifelsfrei zu erkennen und wird durch Hauptschiedsrichter Roman Gofman nach kurzem Zögern angezeigt. Kurze Zeit später folgt das Zeichen zum Hinzuziehen des Videobeweises.

Jedoch ist damit die Szene nicht komplett erzählt. Beleuchten möchte ich zunächst die Verwirrung, die vor allem bei den Kommentatoren Basti Schwele und Andi Renz herrschte. Wie bereits erwähnt, war die erste impulsive Entscheidung auf dem Eis ein Tor. Diese Entscheidung muss aber nicht die endgültige On-Ice-Entscheidung sein. Sofort nachdem die Situation abgepfiffen wurde, eilt der zweite Hauptschiedsrichter Andris Ansons ins Geschehen und spricht mit Gofman. Ebenfalls werden die beiden Linesperson in die Entscheidungsfindung einbezogen. Danach ist das klare Zeichen von Gofman „kein Tor“. 

Folglich gingen beide Schiedsrichter wie angekündigt zum Videobeweis und kamen nach Studium der Bilder zu dem Entschluss, die Entscheidung auf dem Eis bestehen zu lassen. Dementsprechend war das Tor nicht gültig. Da beide Kommentatoren in den Wiederholungen das Signal „kein Tor“ nicht gezeigt bekamen, zeigten sie sich verständlicherweise verwirrt. In dieser Hinsicht kann den Schiedsrichtern aber kein Vorwurf gemacht werden.

Betrachten wir nun die Entscheidungsfindung an sich. Auch wenn es durch die Schiedsrichter am Zeitnehmertisch keine Begründung der Entscheidung gab, ist für mich der Grund für die Annullierung des Tors recht eindeutig. Es handelt sich hierbei um eine strafbare Behinderung am Torhüter. 

Eine Behinderung am Torhüter tritt nach DEB-Regelbuch auf, wenn ein Feldspieler in irgendeiner Weise seinen Stock oder seinen Körper einsetzt und so die Bewegung des Torhüters in seinem Torraum erschwert oder ihn daran hindert, seine Position einzunehmen. (Regel 150 I.)

Nach dem ersten Schuss von Stachowiak befindet er sich weiterhin in der Vorwärtsbewegung und berührt Torhüter Niederberger zunächst, bevor er komplett über ihn stürzt. Die beschriebene Situation findet in jedem Fall im Torraum statt, wodurch die oben genannte Regel Anwendung findet. Durch den Kontakt mit Niederberger verhindert Stachowiak, dass der Goalie den Puck adäquat verteidigen oder abwehren kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob es für den Torhüter überhaupt noch möglich gewesen wären, das Tor zu verhindern. 

Ein weiterer spannender Punkt in dieser Szene ist die Frage, ob Stachowiak durch einen Münchner Verteidiger in den Torraum gedrückt wurde und der Kontakt dadurch verursacht wurde. In diesem Fall wäre das Tor gültig. 

In Regel 95 heißt es: „Wird ein angreifender Feldspieler vom verteidigenden Spieler geschoben, gestoßen, gedrängt oder gefoult, wodurch er in den Torraum gelangt, während der Puck ins Tor geht, zählt das Tor, außer, der angreifende Spieler hatte genügend Zeit, den Torraum zu verlassen, bevor der Puck ins Tor gelangte.“ (Regel 95 I.)

Ob dies in dieser Szene der Fall ist, ist ehrlicherweise sehr schwer zu sehen. Im Bild der Führungskamera ist aus meiner Sicht kein Kontakt vom Münchner Spieler mit der Nummer 20 zu sehen. Auch die Übertorkamera gibt keinen klaren Aufschluss über einen möglichen Push von hinten. Weiterhin muss man hier beachten, ob der mögliche Kontakt erst kommt, als Stachowiak bereits im Torraum ist und Niederberger berührt oder bereits vorher. 

Aus meiner Sicht fährt Stachowiak in seiner Bremsbewegung selbstständig in den Torraum und stellt Kontakt zum Torhüter her. Selbst wenn es danach noch einen Kontakt durch den Münchner Verteidiger gab, begann die Behinderung am Torhüter schon vorher ohne gegnerische Einwirkung.

Es ist wieder mal eine komplexe Szene, die deutlich macht, dass die On-Ice-Entscheidung für die spätere Entscheidungsfindung eine wichtige Bedeutung hat. Die Bilder beweisen aus meiner Sicht nicht, dass es einen Push durch den Verteidiger gegeben hat. Dementsprechend ist die Torhüterbehinderung nicht klar zu widerlegen und die auf dem Eis getroffene Entscheidung bleibt bestehen.

Ein weiterer diskutierter Punkt ist die Kommunikation der Entscheidung der beiden Hauptschiedsrichter. 

Gern wird die DEL2 als Referenz genannt, in der die Schiedsrichter über ein Mikrofon ihre Entscheidung nach einem Videobeweis oder bei ausgesprochenen Strafen selbst verkünden. Jedoch muss dazu gesagt werden, dass die Liga ausschließlich die Verkündung der Entscheidung verlangt und keine Begründung für diese. Einige Schiedsrichter begründen trotzdem freiwillig ihre getroffene Entscheidung. Die Regelung in der PENNY DEL ist in dem Fall gleich. Es muss ausschließlich mitgeteilt werden, dass man zum Videobeweis fährt und welche Entscheidung im Nachgang getroffen wurde. Die Kommunikation mit dem Kampfgericht wäre aber in jedem Fall einfacher, wenn wenigstens ein Schiedsrichter der deutschen Sprache mächtig wäre, aber das ist wieder ein anderes Thema.

Abschließend möchte ich mich noch zur Kritik äußern, die fast immer aufkommt, wenn Herr Gofman ein Spiel in der PENNY DEL pfeift. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass nur auf strittige Szenen gewartet wird, um dann in die Tasten zu hauen und oftmals unsachliche Kritik loszuwerden. Sicherlich hat Gofman in den letzten Jahren bei einigen Spielen wenige gravierende Fehler in seinen Spielleitungen gehabt. Ihn deswegen aber bei jeder Ansetzung des geliebten Teams schon vor dem Spiel zu verurteilen, ist falsch. Kein Schiedsrichter macht absichtlich Fehler und möchte immer sein Bestes geben! Außerdem muss immer bedacht werden, dass zwei Hauptschiedsrichter auf dem Eis stehen und alle Entscheidungen gemeinsam treffen. 

Wenn schon die Vergangenheit immer zu Rate gezogen wird, sollte nicht vergessen werden, dass Gofman in den letzten Jahren regelmäßig bei Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen in den Finals zum Einsatz kam. Das schafft man nicht, wenn man keine Ahnung hat.

Und zum Abschluss das Wichtigste: „No ref, no game!“

Foto (Titelbild): City-press GmbH

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