Kader-Analyse „Die Goalies“
Das erste Training der Saison sowie die traditionelle Saisoneröffnungsfeier sind bereits absolviert, die Spielzeit 25/26 nimmt damit so langsam Fahrt auf. Auch für Puckgeflüster startet nun die dritte Saison, in der wir euch wieder mit Berichten, Analysen und Meinungen rund um unseren Lieblingsverein versorgen. Die Sommerpause neigt sich dem Ende zu, denn schon in dieser Woche stehen unsere Eisbären wieder auf dem Eis. Wie bereits in der diesjährigen Grillfolge angekündigt, folgt nun unsere ausführliche Vorschau: Zuerst werfen wir einen Blick auf die Goalies, dann geht es weiter mit der Defensive und Offensive, bevor wir in einem Abschlussartikel den endgültigen Ausblick auf die neue Saison wagen. Und wie könnte man besser starten als von hinten heraus? Schauen wir also auf die drei Männer zwischen den Pfosten, die in der kommenden Spielzeit das Tor der Eisbären sichern sollen.
Auf der Position der Torhüter gab es in dieser Sommerpause wenig Bewegung, was natürlich daran liegt, dass unser Goalie-Duo bestehend aus Jake Hildebrand & Jonas Stettmer in der letzten Saison zu den Top-Goalies der Liga zählten. Einzig Lennart Neiße kehrt nach drei Jahren in Kanada zurück in seine Heimat Berlin.
Jake Hildebrand
Fangen wir doch mit dem Starting Goalie der letzten Saison an: Jake Hildebrand. Unsere Wand im Eisbären-Tor, ging nach seiner fulminanten Premierensaison in seine zweite Spielzeit im Berliner Trikot. In der Hauptrunde stand er 35 Mal im Tor und führte damit klar das Trio der Torhüter an. Mit 23 Siegen trug er einen großen Teil zum Erfolg bei, dennoch verlief die Spielzeit nicht so rund wie im Jahr zuvor. Seine Fangquote sank im Vergleich um fast drei Prozent und die Leistungen waren schwankender. Auch Schüsse, die auf den ersten Blick ungefährlich wirkten, fanden häufiger den Weg ins Tor. In der gesamten Hauptrunde gelang ihm nur ein einziger Shutout, was im Vergleich zur Vorsaison deutlich weniger war. Auffällig war, dass Hildebrand bei Schüssen aus der Distanz weiterhin sehr stabil wirkte, im Slot jedoch seine größte Schwäche hatte. Bei sogenannten High-Danger-Chancen kam er nur auf eine Fangquote von 74 Prozent, ein Wert, der klar unter dem Ligadurchschnitt liegt. Auch im erweiterten Statistikbereich spiegelte sich das wider. Sein GSAA lag bei -8,43.
Ein besonders aufschlussreicher Wert in der modernen Torhüteranalyse ist der sogenannte GSAA, was für „Goals Saved Above Average“ steht. Dieser Wert geht über die klassische Fangquote hinaus, weil er nicht nur misst, wie viele Schüsse ein Torhüter hält, sondern auch wie seine Leistung im Vergleich zu einem durchschnittlichen Goalie der Liga zu bewerten ist. Grundlage sind die tatsächlich auf das Tor abgegebenen Schüsse sowie die durchschnittliche Fangquote aller DEL-Torhüter. Daraus wird berechnet, wie viele Gegentore ein Keeper mit Ligadurchschnitts-Niveau in denselben Situationen kassiert hätte. Lässt der Goalie weniger Gegentore zu, ergibt sich ein positiver GSAA, kassiert er mehr, fällt der Wert negativ aus.
Gerade bei Jake Hildebrand machte dieser Wert die Gegensätze seiner Saison sichtbar. In der Hauptrunde stand er mit -8,43 am Ende aller Torhüter, was bedeutet, dass er fast neun Gegentore mehr kassierte, als man im Ligadurchschnitt erwarten würde. Das unterstreicht die schwankenden Leistungen und vor allem seine Probleme bei gefährlichen Chancen im Slot.
Zum Vergleich: Kristers Gudlevskis aus Bremerhaven kam auf +23,49 und wurde damit zu einem echten Game-Saver für sein Team. Während Gudlevskis also regelmäßig Spiele rettete, war Hildebrand deutlich stärker von der Defensivarbeit seiner Vorderleute abhängig. Wenn die Abwehr stabil stand, wirkte er souverän, wenn sie wackelte, brachen auch seine Zahlen ein. Trainer Serge Aubin entschied sich deshalb, ihm zu Beginn der Playoffs den Platz im Tor wegzunehmen. Doch dann verletzte sich Backup Jonas Stettmer und Hildebrand musste zurück zwischen die Pfosten.

Es war spürbar, wie gut ihm die Pause getan hatte. Plötzlich war er wieder auf dem Niveau, das ihm in seiner ersten Saison den Ruf als Wand eingebracht hatte. In den Playoffs stellte er mit einem GSAA von +15,76 sogar den besten Wert aller Goalies und glänzte besonders im Finale gegen Köln, als er drei Shutouts in Serie feiern konnte. Am Ende bleibt eine Saison mit zwei völlig unterschiedlichen Gesichtern. Eine schwankende Hauptrunde, die viele Zweifel aufkommen ließ, und eine herausragende Postseason, in der er wieder zu alter Stärke fand und entscheidend zum Titel beitrug. Hildebrand hat damit gezeigt, dass er in der Lage ist, Spiele auf höchstem Niveau zu gewinnen, wenn die Form und die Umstände stimmen.
Jonas Stettmer
Jonas Stettmer ging als Backup in die Saison 2024/25, konnte aber in seinen Einsätzen deutlich auf sich aufmerksam machen. In insgesamt 20 Spielen zeigte er eine sehr solide Leistung und lieferte der Mannschaft genau das, was man sich von einem verlässlichen zweiten Torhüter erhofft. Während Jake Hildebrand in der Hauptrunde schwankte, wirkte Stettmer konstanter und brachte Ruhe ins Spiel.

Statistisch untermauerte er seine Rolle als zuverlässige Nummer zwei eindrucksvoll. Sein GSAA lag über die Saison bei +3,54, was bedeutet, dass er einige Tore mehr verhinderte, als man von einem durchschnittlichen DEL-Torhüter erwarten konnte. Vor allem im Slot, wo Hildebrand große Probleme hatte, zeigte er sich stabiler und kam auf eine Fangquote von knapp 78 Prozent. Auch im Fünf-gegen-Fünf-Bereich lag er über dem Ligadurchschnitt.
Das größte Fragezeichen blieb die geringere Belastung: Mit 20 Spielen hatte er nur etwas mehr als die Hälfte von Hildebrands Einsätzen, weshalb offenbleibt, wie er mit einer deutlich größeren Verantwortung über eine gesamte Saison umgehen würde.
In den Playoffs zeigte Stettmer in fünf Einsätzen erneut solide Leistungen. Über 320 Minuten kassierte er 9 Gegentore bei 197 Schüssen, was einer Fangquote von 95,43 % und einem Gegentorschnitt von 1,68 entspricht. Im Fünf-gegen-Fünf-Bereich verhinderte er 8,88 mehr Tore, als von einem durchschnittlichen DEL-Torhüter zu erwarten gewesen wären. Leider endete sein Playoff-Jahr aufgrund einer Verletzung abrupt, wodurch Hildebrand wieder die Einsätze übernehmen konnte.
Dennoch hinterließ Stettmer in seinen Einsätzen, sowohl regulär als auch in den Playoffs, den Eindruck, dass auf ihn Verlass ist und dass er das Potenzial hat, in Zukunft eine größere Rolle zu übernehmen.
Der Neue: Lennart Neiße
Mit gerade einmal 18 Jahren kehrt Lennart Neiße nach Berlin zurück und komplettiert das Torhüter-Trio der Eisbären. Für den jungen Schlussmann ist es ein Heimkommen, denn schon im Alter von 14 Jahren wechselte er aus der Nachwuchsabteilung des ECC Preussen zu den Eisbären Juniors. Von dort aus nutzte er den Sprung nach Kanada, wo er in den vergangenen drei Jahren wichtige Erfahrungen sammeln konnte. Seine erste Station waren die Kitchener Junior Rangers in der Alliance Hockey U18AAA League. Kitchener liegt in Südwest-Ontario und ist eine Stadt mit enger deutscher Geschichte, die bis 1916 sogar offiziell Berlin hieß. Bis heute feiert man dort das größte Oktoberfest außerhalb Deutschlands. Für Neiße war es ein perfekter Startpunkt in Nordamerika, wo er 16 Spiele für die Junior Rangers absolvierte. Danach folgte der Wechsel in die Greater Ontario Junior Hockey League zu den Brantford Bandits. Dort stand er in 27 Partien im Tor, kam in der Hauptrunde auf eine Fangquote von 89,4 Prozent und steigerte sich in den Playoffs auf 90 Prozent. Parallel dazu wurde er in vier Spielen für die deutsche U18-Nationalmannschaft eingesetzt und erreichte bei der Weltmeisterschaft eine Fangquote von 90,8 Prozent. In der darauffolgenden Saison schloss er sich den Cambridge Redhawks an und entwickelte sich dort weiter. In 35 Spielen hielt er in der Hauptrunde 90 Prozent aller Schüsse, in den Playoffs sogar 91,7 Prozent. Im selben Jahr wurde er auch für die deutsche U20-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft nachnominiert, blieb dort allerdings ohne Einsatz.
Nun also die Rückkehr nach Berlin. Neiße wird in der kommenden Spielzeit als dritter Torhüter im DEL-Kader geführt und zusätzlich mit einer Förderlizenz für die Lausitzer Füchse ausgestattet, um regelmäßig Spielpraxis zu sammeln. In der DEL dürfte er vorerst nur im Falle von Verletzungen zum Einsatz kommen. Trotzdem sehen die Verantwortlichen in ihm einen vielversprechenden Nachwuchstorhüter, der in den kommenden Jahren behutsam an höhere Aufgaben herangeführt werden soll. Die Eisbären gewinnen damit nicht nur einen weiteren Schlussmann für die Kaderbreite, sondern auch einen Spieler mit großem Entwicklungspotenzial, der in Kanada wichtige Schritte gemacht hat und nun bereit ist, seinen Weg in Berlin fortzusetzen.

Ausblick auf die neue Saison
Die Ausgangslage im Tor ist vor der neuen Saison spannend wie lange nicht. Jake Hildebrand hat mit seiner überragenden Playoff-Performance eindrucksvoll gezeigt, dass er nach wie vor in der Lage ist, Spiele auf höchstem Niveau zu entscheiden. Gleichzeitig darf die durchwachsene Hauptrunde mit einer schwachen Fangquote und dem schlechtesten GSAA der Liga nicht ausgeblendet werden. Für ihn wird es nun darum gehen, über die gesamte Saison hinweg wieder Konstanz zu finden und an die Form seiner Premierensaison anzuknüpfen. Jonas Stettmer hat in seinen Einsätzen eindrucksvoll bewiesen, dass er bereit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen. Mit soliden Leistungen, positiven Werten und einer bemerkenswerten Ruhe im Tor hat er gezeigt, dass er nicht nur ein sicherer Backup ist, sondern langfristig auch das Potenzial hat, Hildebrand den Platz als Nummer eins streitig zu machen. Noch fehlt ihm die Erfahrung, eine komplette Saison als Starter zu bestreiten, doch seine Entwicklung spricht klar für ihn.
Für die Eisbären ist diese Konstellation ein Gewinn. Hildebrand bringt die Erfahrung und das Können mit, die Mannschaft in großen Spielen zu tragen, während Stettmer mit seiner Stabilität und seinem Potenzial für zusätzlichen Konkurrenzdruck sorgt. Sollte Hildebrand zu alter Form zurückfinden und Stettmer seinen Aufwärtstrend bestätigen, könnten die Eisbären in der kommenden Saison über eines der stärksten Torhüter-Duos der Liga verfügen.
Artikelbild: City-Press