Kader Analyse „Die Defensive“
Die Defensive ist auf dem Papier hervorragend besetzt. Es sind gute Zweikämpfer, Spielmacher und auch Allrounder vorhanden. Doch vor wenigen Tagen der Schock: Unser Kapitän Kai Wissmann riss sich beim Training die Achillessehne und fällt damit „mehrere Monate“ aus. Man kann davon ausgehen, dass er der Mannschaft die komplette Saison fehlen wird. Das ist ein herber Rückschlag. Schaut man auf die Saison 2022/23 zurück, sieht man, wie wichtig unsere Nummer 6 für das System von Serge Aubin ist. Er glänzt durch gute Zweikampfführung, eine gute Übersicht, eine gute Kommunikation und präzisen Schuss. In der vergangenen Saison war er aus meiner Sicht der beste Verteidiger der Liga. Man kann die Situation jetzt aber nicht ändern – man muss sie annehmen! Der Rest der Verteidigung ist – wie ihr sicherlich schon wisst – auch nicht von schlechten Eltern.

JONAS MÜLLER
Das Berliner Eigengewächs geht in seine 13. Profisaison mit den Eisbären. Erst kürzlich hat er (zusammen mit Freddie Tiffels und Kai Wissmann) sein Arbeitspapier vorzeitig um ein Jahr bis 2029 verlängert. Seine große Stärke ist die Kondition. Mit 23 Minuten Eiszeit pro Spiel steht er intern nur ganz knapp hinter dem verletzten Kapitän Kai Wissmann. Außerdem kommt er mit fünf Toren und 33 Assists in 65 Spielen aus der punktbesten Saison seiner Karriere. Er verpasste außerdem nur ein einziges Spiel in der kompletten Saison. Dazu kommt seine überragende +/- Statistik, welche er ligaweit zusammen mit Korbinian Geibel (!) anführt. Beide weisen einen Wert von +34 auf. Übrigens: Ligaweit auf Rang drei liegt – Überraschung – Kai Wissmann. Jonas ist ein prädestinierter „Puck carrier“. Durch seine Geschwindigkeit, seine Statur und seine technischen Fähigkeiten hat es jede verteidigende Mannschaft sehr schwer gegen ihn, wenn er den Puck von Zone zu Zone trägt. Außerdem ist er durch seine Übersicht solide darin, das Spiel in Ruhe aufzubauen. Diese Aufgabe könnte er in diesem Jahr noch mehr übernehmen, da das immer der Job von seinem Nebenmann Kai Wissmann war. Nun könnte es die große Chance für „Mülli“ sein, den nächsten großen Schritt zu gehen. Auch im Powerplay wird er aller Voraussicht nach eine Rolle spielen. Wie schon im letzten Jahr – nach der Verletzung von Mitch Reinke – denke ich, dass er die zweite Powerplay-Formation als Spielmacher an der blauen Linie anführen wird. Die große – noch offene – Frage ist, wer sein Reihenpartner in der kommenden Saison sein wird. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten.

KORBINIAN GEIBEL
Mein persönlicher Favorit ist Korbi Geibel. Das 23-jährige Eigengewächs erlebte im vergangenen Jahr seinen großen Durchbruch. Seine +/- Statistik hatte ich schon erwähnt. Dazu kommen sechs Tore und 13 Assists. Dies ist aber eher zweitrangig. Bei ihm muss man seine Zweikampfstärke, sein Stellungsspiel und seinen Körpereinsatz hervorheben. All diese Dinge sind jetzt schon auf Topniveau in der Deutschen Eishockey Liga. Belohnt wurden seine Leistungen mit der Nominierung durch Harry Kreis für die WM. Ich denke, er wäre der perfekte Mann für die erste Verteidigerreihe. Jetzt, wo Jonas Müller mehr Verantwortung in der Offensive übernehmen muss, braucht er einen Mann neben sich, der ihm defensiv den Rücken freihält. Außerdem könnte „Korbi“ auf diese Art und Weise den nächsten Entwicklungsschritt gehen, da seine Eiszeit damit stark ansteigen wird. Bestätigt er seine Leistungen unter diesen Bedingungen, gehört er zweifelsohne dauerhaft in die Nationalmannschaft.

Mitch Reinke
Unsere Nummer 5 verpasste im letzten Jahr den Großteil der Saison aufgrund einer Schulterverletzung. Zum Zeitpunkt der Verletzung war dies ein herber Rückschlag, da sich Reinke zu einem wichtigen Offensivverteidiger entwickelt hatte. Im Nachhinein kann man sagen, dass die Eisbären seinen Ausfall gut aufgefangen haben. Mitch glänzte zum Saisonstart des letzten Jahres mit einer überragenden Übersicht, einem starken Aufbaupass und einem sehr konstanten Spiel – defensiv wie offensiv. Man erkannte kaum Fehler in seinem Spiel. Was er tat, hatte Hand und Fuß. Schafft er es, dieses Jahr daran anzuknüpfen, wird er mit ziemlicher Sicherheit in der ersten Powerplay-Formation an der blauen Linie zu finden sein. Was außerdem sehr beeindruckend war, war seine überragende +/- Statistik. In 22 Spielen wies er einen Wert von +17(!) auf. Aus meiner Sicht ist er prädestiniert für das zweite Verteidigerduo. Auch in Reihe 1 neben Jonas Müller würde Reinke glänzen, keine Frage! Da ich aber ein Fan von ausgewogenen Verteidigerpärchen bin und jedes Duo einen Playmaker haben sollte, würde er bei mir in Reihe 2 auflaufen.

ADAM SMITH
Mitch Reinkes Partner in Reihe 2 sollte, wie auch schon im Auftakttraining getestet, Adam Smith sein. Die Nachverpflichtung aus dem vergangenen Jahr fiel durch seine Abgeklärtheit und Robustheit auf. Er spielt sehr konstant auf einem soliden DEL-Niveau. Der 1,85 Meter große Kanadier versteht es, seinen Goalie zu schützen und seinem Team zusätzlichen Rückhalt zu geben. Besonders sein gutes Stellungsspiel in der Defensivzone ist immer wieder aufgefallen. An seiner Zweikampfführung muss er noch arbeiten. Im vergangenen Jahr gewann er nur 45 % seiner Zweikämpfe. Offensiv kam er bisher kaum zur Geltung, was aber absolut nicht schlimm ist. Jedes Team braucht mehrere Verteidiger seines Spielstils. Schafft er es, seine Zweikampfwerte hochzuschrauben, könnte er enorm wichtig für das Team von Serge Aubin werden.

ERIC MIK
Unser Allrounder geht in sein achtes Jahr im Eisbären-Trikot. Und auch in diesem Jahr könnte er sehr wichtig für die Berliner Mannschaft werden. Er hat kaum Schwächen in seinem Spiel. Er kann offensiv wie defensiv Akzente setzen und macht von Jahr zu Jahr immer weniger Fehler. Macht er mal einen solchen Fehler, kann er diesen schnell wieder durch seine Geschwindigkeit wett machen. In der vergangenen Finalserie durfte er sogar als Blueliner im Powerplay agieren! Außerdem ist er kaum verletzt, was seine Wichtigkeit nochmal unterstreicht. Auf ihn ist immer Verlass. Sein +/- Wert liegt mit +20 in einem guten Bereich. Er ist nicht der Spieler, der für die Tore oder die Vorlagen verantwortlich ist, er ist auch nicht dafür verantwortlich, 5 vs 3 Unterzahl-Situationen zu killen. Er hat den Job, ein solider Mitspieler zu sein, Playmaker in Szene zu setzen und ihnen den Rücken freizuhalten. Ist er auf dem Eis, kann man sich als Stürmer auch mal einen Fehler erlauben, da man weiß, dass Mik mit seinem Tempo zur Stelle sein wird. 1-auf-0-Konter gegen die Eisbären sind mit ihm auf dem Eis schwer möglich. Das alles macht ihn so verdammt wertvoll für das Aubin’sche System. Hinzu kommt seine Vielseitigkeit, auch als Stürmer spielen zu können. Auch wenn ich denke, dass dies im nächsten Jahr kaum der Fall sein wird, darf das nicht unerwähnt bleiben. Viele Verteidiger haben ein Problem damit, auf der falschen Seite zu spielen (Linksschütze auf der rechten Verteidiger-Position). Unser Eigengewächs gehört nicht dazu. Seit Jahren spielt er in der 3. Verteidiger-Reihe auf der RV-Position. Noch ein Grund mehr, der ihn sehr wertvoll macht. Auf dieser Position sehe ich ihn auch im kommenden Jahr wieder spielen. Für mich persönlich ist er die „Jonas Müller light“-Version, wenn auch natürlich ein klein wenig anders 😉.

MARKUS NIEMELÄINEN
Auf der linken Verteidigerposition in Reihe 3 würde bei mir Markus Niemeläinen auflaufen. Hier muss aber erstmal abgewartet werden, wie schwerwiegend die Verletzung ist. Sollte er auf absehbare Zeit nicht fit werden, werden die Eisbären hier nochmal nachlegen. Ist er fit, hilft er den Eisbären in seiner Art, Bandenzweikämpfe zu führen, weiter. Er kann gute Checks fahren und beschützt seinen Goalie gut. Ich persönlich muss aber sagen, dass ich kein großer Fan von ihm bin. Er leistet sich zu viele Fehler im Aufbauspiel und ist technisch nicht der versierteste. Aufgrund seiner fehlenden Geschwindigkeit würde ich ihn neben Eric Mik aufstellen, welcher dieses Defizit auf jeden Fall kaschieren würde. Gleichzeitig kann Niemeläinen die „Drecksarbeit“ vor dem Tor übernehmen, welche Eric Mik nicht so liegt. Sein +/- Wert liegt bei +9. An sich ist das solide, für Eisbären-Verhältnisse ist das aber eher durchwachsen. Sollte Markus in naher Zukunft wieder fit werden, erwarte ich einen Leistungssprung. Sonst wird es für ihn, falls eine Nachverpflichtung getätigt werden sollte, eng.

MARCO NOWAK
Marco Nowak geht in sein viertes Eisbären-Jahr. Der 35 jährige verpasste die komplette letzte Saison aufgrund einer schweren Verletzung. Ob er im kommenden Jahr Einsätze erhalten wird, wage ich zu bezweifeln. Mit ihm hat man einen Spieler im Kader, welcher – denke ich – sehr viel positives zur Teamchemie beiträgt. Daher ist er für die Eisbären immer noch sehr wichtig. Eventuell wird mit ihm langfristig in einer anderen Funktion im Verein geplant. Das würde mich sehr freuen.

NORWIN PANOCHA
Das 20-Jährige Talent der Eisbären wurde vor drei Jahren von den Buffalo Sabres in Runde sieben gedraftet. Aus meiner Sicht zurecht! Im vergangenen Jahr kehrte er nach mehreren Stationen in der QMJHL, WHL und USHL zurück nach Berlin. Bei den Eisbären Juniors (U20) vor drei Jahren war er der „Player to watch“. Er hat einen super Aufbaupass, einen guten Schuss und ein überragendes Spielverständnis. Er gehört zu den größten Juwelen im deutschen Eishockey, da bin ich mir sicher. Seine Schwäche ist sicherlich das Körperspiel, aber daran kann man in seinem Alter sicherlich noch arbeiten. Ich hoffe, dass er sich als siebter Verteidiger festspielt und – für einen siebten Verteidiger – viel Eiszeit bekommt.

MORITZ KRETZSCHMAR
Moritz Kretzschmar hat einen sehr ähnlichen Spielstil wie Norwin Panocha. Er hat einen guten Aufbaupass, gute Übersicht und einen guten Schuss. Auch bei ihm muss sich das Körperspiel verbessern, damit er dauerhaft in der DEL spielen kann. Mit ihm und Norwin Panocha haben wir zwei große Rohdiamanten im Kader. Moritz sollte sich in diesem Jahr das Ziel setzen, bei Weißwasser eine Rolle zu spielen. Spielpraxis ist in diesem jungen Alter das wichtigste. Diese wird er beim Kooperationspartner hoffentlich erhalten.

FAZIT + Wer wird der Neue Kapitän?
Abschließend lässt sich sagen, dass die Mannschaft um das Trainerteam Aubin – Collins – Rankel auch in diesem Jahr auf eine gute Defensive zurückgreifen kann, welche auch titelwürdig ist, auch wenn der wichtigste Spieler dieser Hintermannschaft verletzungsbedingt sehr lange fehlen wird.
Man darf gespannt bleiben, ob Stephane Richer noch einen Import für die Defensive aus dem Hut zaubern wird oder man mit dem vorhandenen Spielermaterial zufrieden ist.
Eine offene Frage bleibt noch: Wer ersetzt Kai Wissmann als Kapitän? Für mich gibt es hier eine klare Antwort: Jonas Müller! Unsere Nummer 18 ersetzte den im Vorjahr verletzten Kapitän Wissmann in der Finalserie schon einmal als Kapitän der Mannschaft und riss am Ende einer mehr als eindeutigen Serie den Henkelpott in den Berliner Nachthimmel – oder eher unter das Dach der Uber Arena. Daher wäre er die logische Wahl zum Capitano.

– Holzi
Artikelbilder: City-Press